Die deutsche Transplantationsgesellschaft (DTG) unterstützt ausdrücklich den erneuten Anlauf die Widerspruchslösung für Organspenden über den Bundesrat im Bundestag zur Abstimmung zu bringen und hofft diesmal auf eine positive Entscheidung.
Das Missverhältnis zwischen Spenderorganen und Patienten/Patientinnen, die dringend ein neues Organ benötigen, ist in Deutschland so groß wie in kaum einem anderen europäischen Land. Aus Sicht der DTG ist es nicht verständlich, weshalb in den meisten unserer Nachbarländer die Widerspruchslösung eine breite Akzeptanz gefunden hat, sich die Gesellschaft in Deutschland aber nicht zu diesem Schritt durchringen kann. Es ist zwingend erforderlich, dass sich jeder Bürger/jede Bürgerin mit der Frage beschäftigt, was mit den eigenen Organen nach dem Tode passieren soll. Jedem ist auch mit der Widerspruchslösung freigestellt, nach seinem Tod seine Organe zu spenden oder nicht. Niemand wird gedrängt, diese persönliche Entscheidung zu hinterfragen.
Wir erleben immer wieder, das Angehörige in der Trauersituation diese wichtige Entscheidung nicht treffen können oder wollen. Laut aktuellen Umfragen ist davon auszugehen, dass die Mehrheit der Bevölkerung der Organspende positiv gegenübersteht und die wenigsten Menschen ihren Angehörigen die Entscheidung überlassen, sondern selbstbestimmt entscheiden möchten. Dennoch ist es in der Mehrzahl der Fälle immer noch so, dass die Entscheidung für oder gegen Organspende nicht dokumentiert wurde und sich im Kreis der nächsten Angehörigen auch niemand an ein Gespräch darüber erinnern kann. Daher lehnen die Angehörigen in Unkenntnis des mutmaßlichen Willen des/der Verstorbenen eine Organspende eher ab. Seit diesem Jahr steht das Organspenderegister zur Verfügung, so dass eine Möglichkeit besteht diese Entscheidung zu jederzeit abrufbar zu dokumentieren, welches auch zu einer Entlastung der Angehörigen führt, wenn ihnen nicht mehr zugemutet werden muss nach dem mutmaßlichen Willen zu entscheiden. Anders als vor vier Jahren steht jetzt als Grundlage einer Widerspruchslösung und zur eindeutigen Dokumentation das Organspenderegister zur Verfügung, welches seit dem 01.07.2024 in den Krankenhäusern verwendet wird. Aber das Register allein wird sicher nicht ausreichen. Menschen deren Motivation hoch genug ist, dort ihre Bereitschaft für oder gegen Organspende zu dokumentieren, gehören meistens zu der Bevölkerungsgruppe, bei denen auch im privaten Umfeld schon bekannt ist, welche Meinung sie zu diesem Thema haben. Es geht aber vor allem um die Personen, die zwar grundsätzlich bereit dazu wären, ihre Organe nach dem Tod zu spenden, für die aber das bisherige Angebot sich im Organspenderegister einzutragen immer noch nicht niederschwellig genug ist. Daher denken wir, dass diese Maßnahme allein nicht zum Erfolg führen wird. Aus unserer Sicht ist die Widerspruchslösung das effektivste Instrument, um das Potential möglicher Organspender/Organspenderinnen so gut wie möglich zu nutzen.
Die DTG begrüßt sehr, dass sich in der Politik seit einigen Jahren eine wachsende Unterstützung zu der Thematik abgezeichnet hat. Wir brauchen in Deutschland dringend einen Kulturwandel, bei dem sich mehr mit dem Sterben und der Organspende auseinandergesetzt wird. Unsere europäischen Nachbarn haben das vorgelebt und es ist an der Zeit mit der Widerspruchslösung nachzuziehen.
Die DTG hofft im Sinne aller Wartelistenpatienten/Wartelistenpatientinnen, dass dieser Systemwechsel dieses Mal befürwortet wird, um endlich die Versorgungslücke in Deutschland zu schließen und das Sterben auf der Warteliste zu beenden. Das Organspenderegister kann dann direkt genutzt werden, in dem dort der Widerspruch oder die Zustimmung dokumentiert wird. Somit kann man unmittelbar auf eine existierende Infrastruktur zurückgreifen. Damit wird für jeden die Möglichkeit geschaffen, ohne eine Begründung einer Organentnahme nach dem Tod zu widersprechen. Dieser Anspruch an unsere Bevölkerung erscheint aus unserer Sicht nicht nur zumutbar, sondern sollte auch von jedem/jeder Einzelnen sorgfältig überdacht werden, da die Wahrscheinlichkeit irgendwann selbst auf ein Spenderorgan angewiesen zu sein um ein Vielfaches höher ist als die Wahrscheinlichkeit selbst Organspender/Organspenderin zu werden.
Der DTG ist bewusst, dass es sich um ein sehr sensibles Thema handelt. Deshalb dürfen alle beteiligten Fachdisziplinen und Institutionen nicht nachlassen, zur Aufklärung und Information der Bevölkerung beizutragen, um mögliche Vorbehalte, Ängste und Mythen um das Thema Organspende nachhaltig auszuräumen. Aus unserer Sicht ist nur mit einem Systemwechsel eine signifikante Verbesserung der aktuellen Situation für unsere Patienten/Patientinnen zu erwarten. Die Einführung der Widerspruchslösung ist hierfür der erste Schritt.
Die Stellungnahme zum downloaden finden Sie hier.